Gleiches mit Gleichem bekämpfen: die Kraft von Wolbachia.

                                

Mikrobologie in kleinen Häppchen

Gleiches mit Gleichem bekämpfen: die Kraft von Wolbachia.

Wenn man darüber nachdenkt, was man braucht, um eine Infektion zu bekämpfen, fällt einem wahrscheinlich als erstes ein Antibiotikum ein. Interessanterweise hat nicht der Mensch die Antibiotika entwickelt. Wir haben sie als Medikament von Bakterien übernommen, die sie von Natur aus produzieren, und sie zur Behandlung tödlicher Infektionen angepasst. Wer hätte gedacht, dass Bakterien (manchmal) die Guten sind?

Tatsächlich sind Bakterien häufiger Helden als Bösewichte. Wir sind von Bakterien bedeckt, von der Haut an unseren Händen bis zu den tiefen Falten unseres Magen-Darm-Trakts. Das menschliche Mikrobiom hilft uns bei der Verdauung unserer Nahrung, der Stärkung unseres Immunsystems und der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Bakterien gehen oft ähnliche Formen der Symbiose mit anderen Organismen ein. Sogar Insekten beherbergen Bakterien, und erst vor kurzem entdeckten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die einzigartige Kraft einer bestimmten, auf Gegenseitigkeit beruhenden Beziehung zwischen Insekt und Bakterium.

Wir stellen Euch ein zunächst uninteressant wirkendes Bakterium vor: Wolbachia pipientis

Wolbachia ist unter Insekten weit verbreitet, so auch unter einigen der lästigen Mückenarten, die man im Sommer antrifft. Nach der Entdeckung von Wolbachia im frühen 19. Jahrhundert nahmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jahrzehntelang keine Notiz von Wolbachia in Insekten (1). Erst vor einigen Jahrzehnten wurde das Vorkommen von Wolbachia in Insektenpopulationen etndeckt. Zunächst wurde festgestellt, dass Wolbachia in einigen Insekten als Parasit wirkt, indem es deren Fortpflanzungszyklen manipuliert, um so in der Insektenpopulation zu überleben.

Abbildung 1: Wolbachia pipientis (helle Flecken) im Inneren des Eies einer kleinen parasitischen Wespe. Sie reichern sich am Ende des Eies an, das dazu bestimmt ist, sich zu den Fortpflanzungsorganen zu entwickeln. Wolbachia veranlassen die Eier dieser Wespe, sich ohne Befruchtung zu weiblichen Nachkommen zu entwickeln. Quelle: Mikrobewiki

Im Laufe der Zeit entdeckten die Forschungsteams eine interessante Eigenschaft von Wolbachia: Das Bakterium schützt die Insekten vor bestimmten Viren (2). Es dauerte nicht lange, bis die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das volle Potenzial von Wolbachia als Mittel zur Bekämpfung von Viruserkrankungen, die durch Insekten und andere Träger verbreitet werden, erkannten.

Durch Vektoren übertragene Krankheiten stellen weltweit ein großes Problem dar und sind oft nur schwer auszurotten. Schwere Infektionskrankheiten wie Malaria, Zika und Dengue werden von Moskitos übertragen, die die Viren mit alarmierender Geschwindigkeit verbreiten (3). Behandlungen und Impfungen sind spärlich oder bei weitem nicht perfekt, was die Forschungsteams motiviert, kreativere Lösungen zur Verhinderung der Ausbreitung dieser Krankheiten zu finden.

Forschungen über Wolbachia in Insekten wie Fruchtfliegen und Moskitos ergaben, dass die Träger des Bakteriums in der Lage sind, die Vermehrung bestimmter Viren zu verhindern und so die Krankheitslast im Insekt zu verringern (2). Da Wolbachia sich auf raffinierte Weise in Insektenpopulationen ausbreiten kann, suchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Möglichkeiten, das Bakterium zur Bekämpfung der Krankheitsausbreitung einzusetzen, indem sie auf den Vektor und nicht direkt auf das Virus abzielten (Abbildung 2) (4).

Abbildung 2: Ansatz zur Bekämpfung der Dengue-Krankheit durch Einführung von Wolbachia in Moskitos. Abbildung erstellt mit Biorender.

In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit von Dr. Adi Utarini und Kollegen wurde die Wirkung von Wolbachia in einer groß angelegten Feldstudie getestet (5). Sie infizierten Dengue-anfällige Moskitos mit Wolbachia und setzten sie in der Gemeinde Yogyakarta in Indonesien frei, um zu untersuchen, ob das Bakterium die Ausbreitung von Dengue reduziert. Utarini und ihr Team teilten die Region Yogyakarta in Gruppen ein: 12 erhielten mit Wolbachia infizierte Stechmücken, und 12 hatten keinen Einsatz von Stechmücken. Nachdem das Team die Wolbachia-infizierten Moskitos in den zugewiesenen Clustern freigesetzt hatte, arbeitete es mit den Gesundheitskliniken der Region zusammen, um die Zahl der neuen Dengue-Fälle in jedem Cluster über einen Zeitraum von zwei Jahren zu erfassen.

Diese intelligent konzipierte Studie ergab, dass das Vorhandensein von Wolbachia in den Mückenpopulationen die Zahl der neuen Dengue-Fälle um 77 % reduzierte, verglichen mit den Clustern, die keine Mücken erhielten. Die Behandlung der Mücken senkte die Gesamtzahl der Krankenhausaufenthalte in der Gemeinde erheblich und zeigte sogar eine beeindruckende Wirksamkeit gegen mehrere Stämme des Dengue-Virus. Wolbachia stellt keine Gefahr für den Menschen dar und lässt sich in Mückenpopulationen leicht aufrecht erhalten, was das Bakterium zu einer wirksamen Waffe nicht nur gegen Dengue, sondern auch gegen andere tödliche Viren wie Zika macht.

Dank der Kraft von Wolbachia und anderen nützlichen Bakterien sind die Menschen besser gerüstet, um tödliche Infektionskrankheiten zu bekämpfen, die die Erde weiterhin plagen.


Quellen:

  1. Burki T. (2020). Wolbachia, a bacterium fighting on our side. The Lancet. Infectious diseases20(6), 662–663. https://doi.org/10.1016/S1473-3099(20)30384-4
  2. Pimentel AC, Cesar CS, Martins M and Cogni R (2021) The Antiviral Effects of the Symbiont Bacteria Wolbachia in Insects. Front. Immunol. 11:626329. doi: 10.3389/fimmu.2020.626329
  3. World Health Organization. Vector-borne diseases (2020). https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/vector-borne-diseases
  4. McGraw, E., O’Neill, S. (2013). Beyond insecticides: new thinking on an ancient problem. Nat Rev Microbiol 11, 181–193. https://doi.org/10.1038/nrmicro2968
  5. Utarini, A., et al. (2021). Efficacy of Wolbachia-infected mosquito deployments for the control of dengue. N Engl J Med 384, 2177-86. DOI: 10.1056/NEJMoa2030243

Titelbild: Erstellt in Biorender.


Übersetzt von Melissa Jansing