Eine tief verwurzelte Verbindung.

                              

Mikrobologie in kleinen Häppchen

Eine tief verwurzelte Verbindung.

Jede Pflanzenart verfügt über eine einzigartigen Sammlung von Mikroorganismen. Die mikrobiellen Gemeinschaften um die Pflanzenwurzeln herum variieren je nach Bodentyp ein wenig, sind aber ziemlich beständig. Wir wissen, welche Organismen am Ende eine innige Beziehung eingehen, aber wer macht den ersten Schritt? Zieht eine Pflanze Bakterien an, auf die sie scharf ist, oder trifft ein Bakterium auf Pflanzen, die es mag? Katrin Wippel und Ke Tao beschlossen (zusammen mit einem internationalen Team von Pflanzenexperten), den ersten Funken zu analysieren.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten zwei Pflanzenarten, um Unterschiede in ihrer Vorliebe für Bakterien aufzuzeigen: Arabidopsis thaliana (eine Cousine des Kohls) und Lotus japonica (eine Cousine der Bohnen). Zunächst ermittelte das Forschungsteam mit Hilfe der 16S-RNA-Sequenzierung, welche Bakterien in der natürlichen Umgebung der Wurzeln beider Pflanzen vorkommen. Sie fanden Hunderte von Bakterienarten um die Wurzeln der beiden Pflanzen.

Hunderte von Bakterienarten sind schwer zu handhaben, daher erstellte das Forschungsteam ein vereinfachtes Mikrobiom für beide Pflanzenarten: eine synthetische Gemeinschaft (engl. Synthetic Community, kurz SynCom), siehe Abbildung 1. Sechzehn verschiedene Bakterienarten wurden für A. thaliana und für L. japonica ausgewählt. Wippel und Tao wählten diese Arten so aus, dass jede Bakterienart in der einen SynCom einen nahen Verwandten in der anderen hatte (mit derselben Bakterienfamilie). Auf diese Weise waren die SynComs für A. thaliana und L. japonica sehr ähnlich. Konnte das Forschungsteam A. thaliana dazu bringen, mit L. japonica-Bakterien zu arbeiten oder umgekehrt?

Abbildung 1: Aus einer großen Anzahl an Wurzel-Bakterien wurde ein Modell-Mikrobiom für A. thaliana (grün) und L. japonica (rot) ausgewählt. Diese “synthetischen Gemeinschaften” wurden so ausgewählt, dass alle mit einer Pflanze assoziierten Arten einen nahen Verwandten im anderen Pool hatten. Von den 20 entdeckten Bakterienfamilien waren 16 Familien in beiden synthetischen Gemeinschaften vertreten. Abbildung mit BioRender.com erstellt.

Um zu versuchen, die Pflanzenarten zu täuschen, mischte das Forschungsteam beide SynComs zu insgesamt 32 Bakterienarten, aber weiterhin mit nur 16 Familien. Dann beimpften sie A. thaliana und L. japonica mit dieser Mischung. Nach 5 Wochen fand man bei beiden Pflanzen nur noch ihren jeweiligen Satz von 16 Bakterien in den Wurzeln angereichert! Die Pflanzen ließen sich nicht täuschen, irgendetwas an der Interaktion scheint wirklich sehr spezifisch zu sein.

Bevor wir fortfahren, muss ich noch ein wenig Theorie erklären. In mikrobiellen Gemeinschaften bestimmt oft die Reihenfolge, in der die Mikroben einen Ort erreichen, ob sie eine dominante Art werden oder ein Leben am Rande führen (der Prioritätseffekt, Abbildung 2, linke Seite). Die zuerst eintreffende Art profitiert als Erste von der Nahrung, nimmt den meisten Platz ein und/oder produziert Stoffwechselprodukte, die das Wachstum von Konkurrenten hemmen.

Abbildung 2: Links: der Prioritätseffekt. In unbewohnten Boden haben die ersten Bakterien einen Vorteil gegenüber Nachzüglern, unabhängig von der Art. Rechts: Pflanzenwirte verschaffen ihren spezifischen Partnerbakterien einen Vorteil, sodass sie auch als Nachzügler wachsen können. Abbildung mit BioRender.com erstellt.

Dieses Konzept des Prioritätseffekts ist wichtig, denn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigten, dass ein Pflanzenwirt seinen Partnerbakterien selektiv helfen kann, den Prioritätseffekt zu überwinden (Abbildung 2, rechte Seite). Wippel und Tao korrelierten die Stärke einer Interaktion zwischen Pflanze und Mikrobe mit der Fähigkeit der Mikrobe, sich in einer bereits bestehenden mikrobiellen Gemeinschaft zu bewähren (Abbildung 3). Dies zeigt, dass Pflanzen ihre bevorzugten Bakterien “züchten” können.

Abbildung 3: Die Stärke einer Interaktion zwischen Pflanze und Mikrobe (“Index der Wirtspräferenz”, Y-Achse) korreliert mit der Fähigkeit der Mikrobe, sich in einer bereits bestehenden mikrobiellen Gemeinschaft zu etablieren (“Index der Invasivität”, X-Achse). Dies gilt sowohl für A. thaliana (rot) als auch für L. japonica (blau). Jeder Datenpunkt steht für eine Bakterienart; die Größe des Punktes zeigt die relative Häufigkeit der Art an.

Was also ermöglicht es der Pflanze, ihre Lieblingsbakterien zu umwerben? Das Forschungsteam ermittelte mithilfe der Transkriptomik, welche Gene in den Pflanzenarten aktiv waren. Sie fanden heraus, dass Gencluster, die am pflanzlichen Immunsystem beteiligt sind, von Partnerbakterien selektiv angeschaltet wurden. Auch bestimmte Gene, die für die Unterscheidung von Freund und Feind wichtig sind (mittels Pathogen-assoziierter molekularer Muster), wurden selektiv aktiviert. Natürlich ist damit noch nicht genau erklärt, wie das Bakterium diese Gene aktiviert, aber es ist eine Fundgrube für neue Forschung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Interaktionen zwischen Pflanzen und ihren bakteriellen Lieblingen in der Tat sehr spezifisch sind und die Pflanzen hart daran arbeiten, diese zu erhalten. Aber ob die Pflanze oder das Bakterium den ersten Schritt macht? Dafür müssen wir ein zweites Date abwarten!


Link zum Originalartikel: Wippel, K., Tao, K., Niu, Y. et al. Host preference and invasiveness of commensal bacteria in the Lotus and Arabidopsis root microbiota. Nat Microbiol 6, 1150–1162 (2021).

Titelbild: https://pickupimage.com/free-photos/Garden-beds-with-seedlings-and-leafy-greens/2332866


Übersetzt von Melissa Jansing