
Mikrobologie in kleinen Häppchen
Der mikrobielle Freund und Feind der Haut
Die Fortschritte in der Forschung über das menschliche Mikrobiom, d. h. die Billionen von Mikroben, die in und auf uns leben, haben das Verständnis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für die Entstehung und den Verlauf vieler menschlicher Krankheiten verändert. Die Haut bildet da keine Ausnahme. WissenschaftlerInnen lernen immer mehr über die mikrobiellen Bestandteile gesunder Haut, darüber, wie diese Mikroben wesentliche Funktionen für unsere Hautzellen und unser Immunsystem erfüllen, und vor allem darüber, wie ihre Partnerschaften gestört werden und sich bei verschiedenen Hautkrankheiten ins Gegenteil verkehren.
Atopische Dermatitis, gemeinhin als Ekzem bekannt, ist eine allgegenwärtige entzündliche Hauterkrankung (1). Das bedeutet im Klartext eine chronisch entzündete, rote, juckende und trockene Haut. Die Ursachen von Ekzemen sind unklar und wahrscheinlich eine Folge des komplexen Zusammenspiels zwischen unserer Genetik, der Umwelt, der Immunfunktion und den Hautmikroben. Was letztere betrifft, so steht die Hautmikrobe Staphylococcus aureus im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Ekzempathologen (2). Jüngste Forschungen haben jedoch ergeben, dass ein weiterer möglicher Schuldiger für die Schwere der Erkrankung überraschenderweise der Hautkommensale Staphylococcus epidermidis ist (3). S. epidermidis wird grundsätzlich als wichtiger Bestandteil gesunder Haut angesehen – und das ist er auch. Allerdings ist S. epidermidis vielleicht so etwas wie der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde unter den Mikroben: In einigen Fällen schützt der Symbiont vor schweren Hautinfektionen und fördert im Allgemeinen die Homöostase und Integrität der Haut. Im Gegensatz dazu kann er in anderen Fällen eine Störung der Hautbarriere verschlimmern (4). Eine anhaltende Herausforderung auf diesem Forschungsgebiet ist die Bestimmung der Umstände, die den Kommensalismus von S. epidermidis gegenüber seiner Pathogenität begünstigen.
In einer kürzlich durchgeführten Studie untersuchte ein Forschungsteam die Hypothese, dass S. epidermidis bei Ekzempatienten Moleküle herstellt, die die Haut schädigen (3). Sie untersuchten insbesondere die Rolle von Proteasen, extrazellulären Enzymen, die Proteine zerkleinern. Sie identifizierten eine Protease namens EcpA, von der sie herausfanden, dass sie ein wichtiges Hautbarriereprotein und eine von der Haut produzierte antimikrobielle Substanz abbauen kann. Um zu untersuchen, wie EcpA die epidermale Barriere zerstören kann, besiedelten die Forscherinnen und Forscher die Haut von Mäusen mit zwei verschiedenen Stämmen von S. epidermidis: einem, der EcpA produziert, und einem, der dies nicht tut. Nur der S. epidermidis-Stamm, der EcpA produzierte, konnte die Hautbarriere durchdringen und Hautschäden verursachen. Das direkte Auftragen von isoliertem EcpA-Protein auf die Haut von Mäusen führte zu einer ähnlichen Störung der Hautbarriere, was auf eine direkte Rolle von EcpA bei der Verschlimmerung der Barriereschädigung hindeutet.

Interessanterweise ist das Gen, das für EcpA kodiert, sowohl in kommensalen und pathogenen S. epidermidis-Stämmen vorhanden. Dies deutet darauf hin, dass es spezifische Bedingungen geben könnte, die die EcpA-vermittelte Virulenz aktivieren. Zunächst stellen die Forscherinnen und Forscher fest, dass nicht alle S. epidermidis-Stämme EcpA in gleichem Maße produzieren. Daher könnte die Diversität auf Stammebene, insbesondere in Bezug auf die EcpA-Expression, ein Schlüsselmerkmal für die Vorhersage des Krankheitsverlaufs sein. Zweitens wird die EcpA-Expression durch einen bakteriellen Signalprozess namens Quorum Sensing reguliert. Quorum sensing ist eine Art der Zell-Zell-Kommunikation, die es Bakterien ermöglicht, die Dichte und Zusammensetzung ihrer Nachbarschaft zu erfassen und ihre Genexpression entsprechend zu koordinieren. In diesem Fall wird bei einer hohen Zelldichte von S. epidermidis die EcpA-Produktion beschleunigt. Daraus folgt, dass EcpA in mikrobiellen Gemeinschaften der Haut, in denen eine S. epidermidis-Überwucherung herrscht, maximal exprimiert wird. Insgesamt deuten die Ergebnisse dieser Studie darauf hin, dass Hautschäden bei Ekzempatienten durch S. epidermidis-Stämme, die von Natur aus mehr EcpA produzieren, und durch unausgewogene Gemeinschaftsbedingungen (d. h. eine hohe S. epidermidis-Dichte), die die Expression dieses schädlichen Proteins begünstigen, verstärkt werden könnten.

Unser Hautmikrobiom arbeitet nach einem empfindlichen System von Kontroll- und Ausgleichsmechanismen. Wenn die Waage in eine Richtung kippt (d. h. zu viel von einer Bakterienart, zu wenig von einer anderen oder ein Rückgang der Artenvielfalt), könnte dies die normalen Hautfunktionen beeinträchtigen und Immunreaktionen auslösen. In der Tat ist ein mikrobielles Ungleichgewicht, eine so genannte Dysbiose, ein gemeinsamer Nenner vieler entzündlicher Erkrankungen. Wie bereits erwähnt, sind die Ursachen von Ekzemen vielschichtig und komplex. Nachdem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun herausgefunden haben, wie S. epidermidis bei Ekzemen virulent werden kann, besteht der nächste Schritt darin, herauszufinden, wie zusätzliche (vielleicht genetische oder umweltbedingte) Faktoren zusammenwirken, um das ideale Umfeld für die Pathogenität von S. epidermidis zu schaffen.
Auch wenn der Ausbruch und der Schweregrad von Ekzemen nicht allein auf S. epidermidis zurückgeführt werden können, könnte die Identifizierung spezifischer Auslöser von Hautschäden, wie etwa EcpA, zu hochselektiven, personalisierten Behandlungsansätzen führen, die die Immunfunktion des Wirts nicht beeinträchtigen. Innovative Arzneimittel könnten beispielsweise dem Quorum Sensing von S. epidermidis entgegenwirken, um die Produktion von EcpA zu hemmen. Anti-Quorum-Sensing-Moleküle haben bereits gezeigt, dass sie die durch S. aureus ausgelösten Entzündungen und Hautschäden vermindern (5). Im Gegensatz dazu sind bestehende Ekzembehandlungen durch Breitband-Kortikosteroide und andere Immunsuppressiva gekennzeichnet (6), die die Immunantwort des Wirts dämpfen. Der Nachteil solcher Medikamente ist, dass sie die mikrobielle Dysbiose nicht behandeln und langfristig schwerwiegende Nebenwirkungen auf unsere gesamte Physiologie haben könnten (7). Vielleicht könnte die Konzentration auf die mikrobiellen Komponenten von Hautkrankheiten zu einer tragenden Säule bei der künftigen Entwicklung sicherer und wirksamer Therapeutika werden. Im weiteren Sinne könnte das Wissen darüber, wie die mikrobielle Homöostase aufgebaut (und gestört) wird, neue Ansätze für die Pflege und die Erhaltung gesunder Haut hervorbringen.
Weitere Quellen:
6. Plant A, Ardern-Jones MR. Advances in atopic dermatitis. Clin Med. 2021 May 17;21(3):177–81.
Titelbild: https://www.wannapik.com/vectors/28885
Übersetzt von Melissa Jansing