Geometrie gegen Bakterien und Pilze… Wer wird gewinnen?

                              

Mikrobologie in kleinen Häppchen

Geometrie gegen Bakterien und Pilze… Wer wird gewinnen?

Die Bodenmikrobiologie ist ein spannender Teilaspekt an der Schnittstelle zwischen Mikrobiologie und Umweltwissenschaften. Forscheende in diesem Bereich untersuchen hauptsächlich Mikroorganismen, die im Boden leben, und wie sie das Pflanzenwachstum und die Zusammensetzung des Bodens im Allgemeinen beeinflussen. Darüber hinaus spielen Mikroben in vielen biogeochemischen Kreisläufen eine wichtige Rolle, und jede Störung in ihrem Ökosystem kann diese Kreisläufe verändern. Die mikrobiellen Stoffwechselwege sowie die Erzeugung und Wiederverwertung von Nährstoffen gehen Hand in Hand mit dem Pflanzenwachstum. Deshalb sind Wissenschaftler*innen besonders bestrebt, die komplexen Beziehungen zwischen Mikroben und Pflanzen im Boden zu untersuchen. Dies kann für die Entwicklung neuer landwirtschaftlicher Verfahren von Bedeutung sein, die einen nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Ansatz verfolgen.

Einer der Faktoren, der das Leben der Mikroben erschwert, ist häufig die ungleiche Verteilung der Nährstoffe im Boden. Die Mikroorganismen müssen mit Hilfe von Quorum Sensing und/oder ihrer Beweglichkeit (sofern sie denn beweglich sind) so lange suchen, bis sie auf eine Nährstoffquelle stoßen. Einige Forschende stellten die Hypothese auf, dass bestimmte natürlich vorkommende Hindernisse wie Kurven, scharfe Winkel oder belebte und unbelebte Gegenstände den Mikroorganismus am Zugang zu nahrhaften Molekülen hindern können.

Um zu verstehen, wie Mikroorganismen diese Hindernisse überwinden, haben Arellano-Caicedo und seine Kollegen ein Experiment durchgeführt, bei dem sie eine künstliche Mikrostruktur gebaut und diese mit dem Bakterium Pseudomonas putida und dem Pilz Coprinopsis cinerea beimpft haben. Die Mikrostruktur hatte eine ausgeklügelte Form mit vielen langen Kanälen, die sich in Länge, Breite und Winkel der Windungen unterschieden. Neben der Beobachtung des Wachstums dieser Mikroorganismen waren die Forscher auch daran interessiert, die Wechselwirkungen zwischen zwei Arten in einer kleinen, abgeschlossenen Struktur zu beobachten. Daher bestand das Experiment aus drei Teilen: 1) Untersuchung des Wachstums nur des Bakteriums; 2) Untersuchung des Wachstums nur des Pilzes; 3) Untersuchung des Wachstums von Bakterium und Pilz zusammen. Interessant an dieser Mikrostruktur ist auch, dass die Kanäle unterschiedliche Drehwinkel hatten (45°, 90° und 109°). Dadurch wurde nicht nur eine zusätzliche Schwierigkeit für die Mikroorganismen geschaffen, sondern auch die natürlichen Lebensräume imitiert.

Arten von Kanälen, die in die Mikrostruktur eingebaut wurden, um das Wachstum der Mikroorganismen zu beobachten (hier: C. cinera). Quelle: Artikel von Arellano-Caicedo et al.

Transparente Kanäle in der Mikrostruktur erleichterten es den Forschenden, die stattfindenden Interaktionen zu visualisieren. Bei einem spitzen Winkel von 45° zeigten sich die ersten Unterschiede im Wachstum. Das Bakterium P. putida war erfolgreicher bei der Überwindung scharfer Kurven als der Pilz. Das Ergebnis lässt sich dadurch erklären, dass dieser Winkel im natürlichen Bewegungsbereich des Bakteriums liegt. Für den Pilz C. cinerea war dieser Zustand jedoch problematisch. Pilzhyphen bevorzugen weite Räume, so dass der Winkel von 45° das Wachstum drastisch einschränkte.

Pilze lassen keine Gelegenheit aus, ihre Hyphen in alle Richtungen auszubreiten! Quelle: https://biologydictionary.net/hyphae/

Bei stumpferen Winkeln (90° und 109°) nahm sowohl das Bakterien- als auch das Pilzwachstum eine unerwartete Wendung! Während sich die Beweglichkeit und das Wachstum des Bakteriums deutlich verlangsamten, bekam der Pilz schließlich den ganzen Raum für sich allein und begann zu expandieren. Die Forscher stellten jedoch ein interessantes Phänomen fest. Als die Pilzhyphen auf die Wände des Kanals trafen, begannen sie sich zu verzweigen und zu beiden Seiten zu wachsen. Schließlich erreichte einer der Ausleger die Fortsetzung des Weges, während der andere in Richtung des Ursprungs wuchs. Diese Verzweigung führte zu einer lokalen Anhäufung von Biomasse am Anfang der 90°- und 109°-gewinkelten Kanäle. 

Bei einem Winkel von 90° und 109° stießen die wachsenden Pilzhyphen an die Wände des Kanals, wodurch die Hyphen in beide Richtungen wuchsen. Dieses Ereignis führte zu einem Anstieg der Pilzbiomasse an einer Stelle (die roten Kreise zeigen die zunehmende Dichte der Pilzbiomasse). Quelle: Artikel von Arellano-Caicedo et al.

Wie bereits erwähnt, wollten die Forschenden auch die Wechselwirkungen zwischen dem Pilz und dem Bakterium beobachten. Wenn zwei Organismen zusammen wachsen, ist ein Wettbewerb um Nährstoffe und Platz unvermeidlich, und diese Studie bildete keine Ausnahme. Die Ergebnisse zeigten, dass das Vordringen der Pilzhyphen die Umgebung physisch veränderte und die Bakterien zu einem langsameren Wachstum veranlasste. Die Bakterien waren nicht in der Lage, sich physisch durch das Pilzgewebe zu drängen, wodurch das Wachstum stagnierte und die Nährstoffe an den Stellen, an denen sich die Bakterien ansammelten, erschöpft wurden. Der Pilz hingegen hatte kein Problem damit, sich durch die Bakterienkolonien zu bewegen. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass Bakterien ihren Lebensraum nicht in einer Weise verändern, die das Pilzwachstum beeinträchtigen würde.

Dieses Experiment ist ein erster Schritt zum Verständnis der Dynamik zwischen Boden und Bodenmikroorganismen. Natürlich ist diese Untersuchung vereinfacht, und im wirklichen Leben bestimmen viele andere physikalische Parameter die Bodenzusammensetzung, als nur der Drehwinkel. In der Natur ist der Boden oft mit Wasser gesättigt oder enthält Gasblasen, die die Bewegung und das Wachstum von Bakterien und anderen Mikroorganismen behindern können. Außerdem sind die Nährstoffe, mit denen die Mikroben in der Natur konfrontiert werden, stärker verstreut und kommen oft nur in kleinen Mengen vor.

Dennoch kann ein besseres Verständnis der mikrobiellen Ökologie des Bodens zu neuen Entwicklungen in der Landwirtschaft führen. Stell dir zum Beispiel eine effizientere Art der Nährstoffzufuhr für das Wurzelsystem einer Pflanze vor. Durch die Anwendung des Wissens über die Bodenmikrobiologie und die mikrobiellen Interaktionen können die Forschenden eine genauere Technik für die Zufuhr dieser Nährstoffe entwickeln, was letztendlich den Mikroben und den Pflanzen zugute kommt. Anstatt Geld für zusätzliche Düngemittel und Nährstoffe auszugeben, warum nicht eine Methode entwickeln, die schneller und effizienter ist und auf der Bodenmikrobiologie beruht? Work smarter, not harder!


Link zum Originalbeitrag: Arellano-Caicedo, C., Ohlsson, P., Bengtsson, M. et al. Habitat geometry in artificial microstructure affects bacterial and fungal growth, interactions, and substrate degradation. Commun Biol 4, 1226 (2021). https://doi.org/10.1038/s42003-021-02736-4

Unter Creative Commons Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/


Titelbild: https://modernfarmer.com/2014/04/microbes-will-feed-world-real-farmers-grow-soil-crops/


Übersetzt von Florian Theßeling