
Mikrobologie in kleinen Häppchen
Leben nach dem Tod: Das menschliche Mikrobiom als Werkzeug der Forensik
Der Tod ist ein natürlicher Teil des Lebens auf der Erde. Sobald ein Organismus stirbt, beginnt der Körper mit Hilfe von Mikroben auf der Haut, im Darm und aus der Umwelt zu verwesen. Der Zersetzungsprozess macht es oft schwierig die Zeit zu bestimmen, die seit dem Tod vergangen ist. Wenn Gerichtsmediziner an einem Tatort eintreffen, sammeln sie oft handfeste Beweise wie Fingerabdrücke, Haare und DNA, um zu untersuchen, wann und wie eine Person gestorben ist.
Leider sind unsere Kenntnisse über den Verwesungsprozess recht begrenzt, und die Umwelt kann den zeitlichen Ablauf der Verwesung einer Leiche stark beeinflussen. Wärmeres Wetter beschleunigt oft den Verwesungsprozess, was die Bestimmung des Todeszeitpunkts erschwert. Außerdem können Naturereignisse oder Aasfresser die wenigen Beweise, die zurückbleiben, leicht zerstören. Die derzeitigen forensischen Hilfsmittel haben sich bei der Abschätzung des Todeszeitpunkts, auch bekannt als Postmortem-Intervall (PMI), als hilfreich erwiesen, aber es werden noch präzisere Methoden benötigt, um den Bereich der Forensik zu verbessern. Mikrobiologen haben kürzlich einen Ansatz entwickelt, der das Mikrobiom einer Person nutzt, um den Todeszeitpunkt genau zu berechnen.
Eine Forschungsgruppe verfolgte die Verteiliung von Bakterien, Pilzen und anderen Mikroben in und um einen Leichnam nach dem Tod. Dabei entdeckten sie einen biologischen Mechanismus, den sie als “mikrobielle Uhr” bezeichneten. Durch die Veränderungen im Mikrobiom des Leichnams im Laufe der Zeit lässt sich genau abschätzen, wie viel Zeit seit dem Tod vergangen ist. Diese neu entdeckte Technik zur Berechnung des PMI kann problemlos in der Forensik angewandt werden, um den Todeszeitpunkt einer menschlichen Leiche zu bestimmen.
Wie in dem Artikel von J. Metcalf und anderen beschrieben, untersuchte das Forschungsteam mikrobielle Gemeinschaften von Tierkadavern während des gesamten Verwesungsprozesses. Für die Studie wurden Labormäuse verwendet, um die Experimente besser kontrollieren und wiederholen zu können. Im Laufe von 48 Tagen nahmen die Forscher Abstriche von verschiedenen Bereichen der Kadaver sowie von der Erde in ihrer Umgebung (Abbildung 1). Anschließend sequenzierte das Team die Mikrobenproben und setzte fortschrittliche statistische Methoden ein, um etwaige Veränderungen in den mikrobiellen Gemeinschaften in verschiedenen Stadien der Zersetzung zu bewerten.
Insgesamt zeigten die experimentellen Ergebnisse signifikante und konsistente Veränderungen im Mikrobiom während der Verwesung aller 40 untersuchten Kadaver. Die Beständigkeit bei den Veränderungen der mikrobiellen Gemeinschaften erlaubt es, die seit dem Tod des Organismus verstrichenen Zeit bis auf drei Tage genau zu bestimmen.
Interessanterweise wurde festgestellt, dass Proben von der Haut und dem Boden um den Kadaver herum aufschlussreicher waren als die aus der Bauchhöhle. Die Autorinnen und Autoren stellten fest, dass sich die Körperhöhlen der Kadaver zu unterschiedlichen Zeiten öffneten, was zu einer größeren Variation in den mikrobiellen Gemeinschaften geführt haben könnte. Die Sequenzierung ergab auch, dass sich pathogene Bakterien der Gattungen Escherichia und Klebsiella nach dem Öffnen der Körperhöhle rasch auf den Leichen vermehrten. Außerdem fand das Forschungsteam neben Bakterien und Viren auch Würmer. Vor allem Nematoden waren nach 20 Tagen in allen Kadavern reichlich vorhanden. Die Fadenwürmer ernährten sich wahrscheinlich von den Bakterien und anderen kleineren Mikroben, die sich während der frühen Verwesung auf den Leichen ansammelten. Zu den anderen Eukaryoten, die sich während der Verwesung vermehrt ansiedelten, gehörten Pilzarten der Gattung Zygosaccharomyces und Amöben, die als Nucleariidae fonticula bekannt sind.
Die in dieser Studie nachgewiesene “mikrobielle Uhr” birgt ein großes Potenzial als neues und fortschrittliches Instrument für Gerichtsmediziner zur Untersuchung des Todes einer Person. Zwar sind weitere Studien unerlässlich, um besser zu verstehen, wie sich das Mikrobiom von Leichen aufgrund anderer Umweltfaktoren verändert, doch Fortschritte in der Sequenzierungstechnologie und Bioinformatik stärken die Durchführbarkeit dieser Methodik im Rahmen des Strafrechtssystems.
Wer hätte gedacht, dass es so viel Leben nach dem Tod gibt?
Link zum Originalartikel: Metcalf JL, et al. (2013). A Microbial Clock Provides an Accurate Estimate of the Postmortem Interval in a Mouse Model System. ELife Microbiology and Infectious Disease; 2:e01104
Titelbild: https://www.flickr.com/photos/33919492@N03/3617336061
Übersetzt von Melissa Jansing