Bioreaktoren in Bakterien: das bakterielle Mikrokompartiment

                                

Mikrobologie in kleinen Häppchen

Bioreaktoren in Bakterien: das bakterielle Mikrokompartiment

“Mitochondria are the powerhouses of the cell”

„Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle”

Wenn Du im Biologieunterricht in der Schule etwas gelernt hast, dann war es wahrscheinlich das. Unsere Zellen verfügen über Mitochondrien, die uns die Energie liefern, um morgens aufzuwachen, zur Arbeit zu gehen und unser Leben zu leben. Neben den Menschen, besitzen auch alle anderen Eukaryoten, d.h. Pflanzen, Tieren und Pilze, diese leistungsfähigen Organellen. Bakterien und Archäen, sog. Prokaryoten, haben keine Mitochondrien. Die meisten Mikrobiologen und Mikrobiologinnen werden Dir sagen, dass Prokaryoten überhaupt keine Organellen besitzen. Einige Vertreter dieser Gruppe verfügen jedoch über Organellen, die, wie die Mitochondrien, für das Überleben wichtig sind.

Viele Bakterien beherbergen sogenannten bakteriellen Mikrokompartimente (engl. bacterial microcompartment, BMC). BMCs ist kein Mitochondrien, aber sie funktionieren auf ihre eigene Weise als Kraftwerke.

Ein BMC ist im Wesentlichen ein mikroskopischer Bioreaktor: eine einzigartige Proteinhülle, die spezifische chemische Reaktionen ermöglicht (Abbildung 1). Wenn die BMC-Proteine vom Bakterium exprimiert, d.h. hergestellt, werden, lagern sie sich um eine Gruppe von Chemikalien und Enzymen an, um so die daraus resultierenden Reaktionen räumlich zu beschränken (1). Eine solche Kompartimentalisierung, d.h. Einkapselung, spezifischer Reaktionen schützt die Zelle vor toxischen Nebenprodukten und steigert die Effizienz. Nicht alle Bakterien sind in der Lage, BMCs zu produzieren, aber diejenigen, die es können, sind oft auf diese Organellen zum Überleben angewiesen.

Abbildung 1. Verallgemeinertes Schema eines bakteriellen Mikrokompartiments und seines metabolischen Kerns. Das Mikrokompartiment verwendet spezifische Enzyme und Moleküle, um verfügbare Substrate in gewünschte Produkte umzuwandeln. Die Abbildung wurde mit BioRender erstellt.

Das erste von den Forschern entdeckte BMC, das so genannte Carboxysom, befindet sich in photosynthetisch aktiven Bakterien. Das Carboxysom nimmt CO2 aus der Umgebung auf und wandelt es in Energie für das Bakterium um (1). Es dauerte nicht lange, bis weitere BMCs identifiziert wurden. Einige BMCs verstoffwechseln bestimmte Alkohole oder Zucker, die verwendet werden, um Energie für die Zellen zu gewinnen (2). Biologen und Biologinnen stellten fest, dass einige Bakterien BMCs nutzen, um in einer rauen Umgebung zu gedeihen, und dass Krankheitserreger, die diese Bioreaktoren besitzen, besser in der Lage sind, ihren Wirt anzugreifen und Infektionen zu verursachen (1, 2). Viele andere BMCs wurden mithilfe computergestützter biologischer Methoden identifiziert, aber ihre Funktionsweise bleibt weiterhin ein Rätsel (1, 2).

Warum sollte man sich für BMCs interessieren?

BMCs sind auch in unseren eigenen Darmbakterien vorhanden. Ein Teil unserer Darmflora nutzt spezifische BMCs, um Nährstoffe, die sich häufig in unserem Darm befinden, in Energie umzuwandeln (1, 2). Vor allem Darmpathogene, d.h. Krankheitserreger, scheinen auf diese BMCs angewiesen zu sein, um ihre Virulenz und ihr Überleben zu steigern (2, 3). Salmonella enterica zum Beispiel setzt BMCs ein, um unseren Darm besser zu besiedeln, Entzündungen zu verursachen und sich zu vermehren (3, Abbildung 2). Krankheitserreger verfügen über ein ganzes Arsenal an Waffen um ihren Wirt zu infizieren, aber BMCs verschaffen S. enterica und anderen Krankheitserregern den nötigen Vorsprung, um unter ansonsten tödlichen Bedingungen zu überleben.

Abbildung 2. Funktion der bakteriellen Mikrokompartimente von (a) und koordinierte Invasion durch (b) Salmonella enterica. Quelle: Jakobson et al. 2016.

Es gibt noch viel über BMCs und ihre Rolle in verschiedenen Bakterienarten zu entdecken. Die ureigene Struktur und Funktion von BMCs verleihen ihnen ein großes Potenzial für den Einsatz in der Biotechnologie. Forscher und Forscherinnen haben gelernt, die Struktur von BMCs zu manipulieren und die eingekapselten Enzyme und Moleküle auszutauschen (1, 4). Dieser Baukasten-Ansatz ermöglicht es, BMCs für eine Reihe von Zwecken umzugestalten – von der effizienten Produktion von Biotreibstoff bis hin zur Herstellung von Trägermaterialien für Anwendungen im Gesundheitswesen (1, 4).

BMCs sind vielleicht nicht so weit entwickelt wie Mitochondrien, aber sie sind dennoch ein leistungsstarkes Instrument sowohl für Bakterien als auch für Menschen.


Link zum Originalbeitrag:

  1. Kerfeld, C., Aussignargues, C., Zarzycki, J. et al. Bacterial microcompartments. Nat Rev Microbiol 16, 277–290 (2018). https://doi.org/10.1038/nrmicro.2018.10
  2. Stewart, K. L., Stewart, A. M., Bobik, T. A. Prokaryotic organelles: Bacterial Microcompartments in E. coli and Salmonella. ASM EcoSal Plus 9(1) (2021). https://doi.org/10.1128/ecosalplus.ESP-0025-2019
  3. Jakobson CM, Tullman-Ercek D. Dumpster Diving in the Gut: Bacterial Microcompartments as Part of a Host-Associated Lifestyle. PLoS Pathog 12(5), e1005558 (2016). https://doi.org/10.1371/journal.ppat.1005558
  4. Frank, S., Lawrence, A. D., Prentice, M. B., Warren, M. J. Bacterial microcompartments moving into a synthetic biological world. Journ Biotech 163(2), 273-279 (2013). https://doi.org/10.1016/j.jbiotec.2012.09.002

Titelbild: Die Abbildung wurde mit BioRender erstellt.


Übersetzt von Mihaela Bozukova