
Mikrobologie in kleinen Häppchen
Plastikfressende Mikroben.
Egal wie sehr wir uns auch um ein plastikfreies Leben bemühen, groß ist doch die Wahrscheinlichkeit, dass wir jeden Tag Plastik verwenden. Es ist einfach überall! Schätzungsweise 2,4 bis 12,7 Milliarden Kilogramm davon landen jährlich in den Ozeanen [1]. Kunststoffe sind nur sehr schwer abbaubar und leider wird nur ein kleiner Teil des von uns verwendeten Plastiks wirklich recycelt. In der Natur brauchen manche Kunststoffe Tausende von Jahren, bevor sie sich zersetzen. Zudem setzen sie dabei Chemikalien in unseren Böden und den Ozeanen frei.
Kunststoffe sind also überall. Aber rate mal, was auch überall zu finden ist? Mikroben natürlich! Und sie sind in der Lage sich anzupassen und an den extremsten und ungewöhnlichsten Orten zu überleben! Darüber gibt bereits viele tolle Artikel hier auf MicroBites, z.B. diesen hier über Mikroben in der Antarktis.
Aber zurück zu den Kunststoffen. Die am häufigsten produzierten Kunststoffarten sind Polyethylen (PE; 36 %), Polypropylen (PP; 21 %) und Polyvinylchlorid (PVC; 12 %), außerdem Polyethylenterephthalat (PET), Polyurethan (PU) und Polystyrol (PS) mit jeweils <10 %.
Bereits vor 30 Jahren haben Forschungen gezeigt, dass einige Bakterien in der Lage sind, Kunststoffe abzubauen. Vor der hier vorgestellten Studie von Gambarini und seinem Team gab es jedoch noch keinen ausreichenden Überblick über die Anzahl und Art der Mikroben, die Kunststoffe abbauen können. In ihrer Studie stellten die Forschenden alle bekannten Informationen über Mikrobenarten zusammen, die Kunststoffe abbauen können. Sie untersuchten die Art der Kunststoffe, die sie abbauen können, sowie ihre zugrundeliegende genetische Ausstattung.
Sie fanden heraus, dass die meisten Mikroben, die Kunststoffe abbauen können, Bakterien sind – 65 % der identifizierten Arten – und zu fünf verschiedenen Phyla gehören. Der Rest sind Pilze (35 %) aus drei verschiedenen Phyla. Durch die Kombination zahlreicher Studien konnte das Team Trends bei den Mikrobenfamilien feststellen. Sie fanden viele Kunststoffabbauer in der Familie der Pseudonocardiaceae und in der Ordnung der Bacillales, was auf ein konserviertes (d.h. genetisch besonders stabiles) Merkmal unter diesen Mikroben hindeutet.
Können wir also unseren gesamten Plastikmüll einfach an Bakterien verfüttern? Nun, so einfach ist das nicht… Die meisten Kunststoffe sind komplexe Polymere, und viele unserer mikrobiellen Freunde können zwar Monomore, nicht jedoch die komplexeren Polymere abbauen. Was also tun wir jetzt? Die Autoren heben hervor, dass viele Mikroben in der Lage sind, Kunststoffe aus natürlichen Rohstoffen wie PHB (Polyhydroxybuttersäure) oder PLA (Polymilchsäure) abzubauen. Das sind kompostierbare Kunststoffe, die heutzutage immer häufiger verwendet werden. Das ist also schonmal ein guter Anfang. Die Monomere für diese biologisch abbaubaren Kunststoffe werden übrigens von anderen Mikroben hergestellt (siehe Abbildung unten).
Durch diese umfassende Zusammenstellung der verfügbaren Daten über Kunststofffresser haben die Autoren eine Grundlage für künftige Forschung auf diesem Gebiet geschaffen. Weitere Studien werden uns hoffentlich zu einem besseren Verständnis des Ursprungs und der Entwicklung des Kunststoffabbaus durch Mikroben führen. Das kann uns möglicherweise auch helfen, neue Kunststoff abbauende Mikroorganismen zu finden, die bisher noch nicht bekannt oder auf solche Superkräfte hin untersucht wurden.

Link zum Originalbeitrag: Gambarini V, Pantos O, Kingsbury JM, Weaver L, Handley KM, Lear G. 2021. Phylogenetische Verteilung von Plastik abbauenden Mikroorganismen. mSystems 6:e01112-20.
Andere Referenzen:
Übersetzt von Florian Theßeling