Die prokaryotischen Wurzeln der wichtigsten Genome Editing Technologie.

                                

Mikrobologie in kleinen Häppchen

Die prokaryotischen Wurzeln der wichtigsten Genome Editing Technologie.

CRISPR ist die heute bekannteste Technologie zur Veränderung des Erbguts (Genome Editing). Sie ist schneller, billiger und effizienter als andere, vergleichbare Technologien. Wissenschaftler stellten fest, dass mit CRISPR die Genome vieler Pflanzen und Tiere, einschließlich des Menschen, verändert werden können [1]. Die so genannte “Gentherapie” könnte eventuell zur Behandlung menschlicher Erbkrankheiten und vielleicht sogar zur Verlangsamung des Alterungsprozesses eingesetzt werden – auch wenn letzteres sicherlich noch lange der Traum vieler Forschenden bleiben wird. Chinesische Wissenschaftler haben zum Beispiel vor kurzem mit CRISPR das CCR5-Gen von zwei Zwillingsbabys verändert [2]. Vereinfacht gesagt ermöglicht CCR5 eine Infektion mit dem HI-Virus, so dass die Veränderung dieses Gens vor einer derartigen Infektion schützen könnte. Dieses kontroverse Beispiel beschreibt eine der vielfältigen neuen Anwendungen von CRISPR. Doch was ist der ursprüngliche Zweck von CRISPR? Dieses genetische Werkzeug, das heute auch für seinen Einsatz in menschlichen Zellen bekannt ist, ist ursprünglich ein antiviraler Mechanismus von Prokaryoten.

CRISPR stellt das adaptive “Immunsystem” von Prokaryoten dar. Bakterien und Archaeen werden häufig von viralen Eindringlingen, sogenannten Phagen, angegriffen. Um sich zu schützen, setzen Prokaryoten eine Reihe von antiviralen Abwehrmechanismen ein, darunter auch CRISPR, was eine Abkürzung für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats ist (zu deutsch: gruppierte kurze palindromische Wiederholungen mit regelmäßigen Abständen). Eine bestimmte Region innerhalb des prokaryotischen Genoms, der so genannte CRISPR-Locus, enthält mehrere Kopien derselben Sequenzen. Diese Wiederholungssequenzen (engl. Repeats) wechseln sich mit variablen Sequenzen ab, die als Spacer bezeichnet werden (Abbildung 1A) [3]. Das Hauptmerkmal der Spacer ist ihre Übereinstimmung mit Sequenzen, die in infektiösen Phagen und anderen fremden DNA-Elementen vorkommen. Analog zu unserem eigenen adaptiven Immunsystem, enthalten die CRISPR-Spacer also das molekulare “Gedächtnis” früherer viraler Angriffe. Dies hat den Vorteil, dass Bakterien und Archaeen, wenn sie von einem Phagen angegriffen werden, dem sie zuvor begegnet sind, das fremde genetische Material schnell erkennen und zerstören und so eine Infektion vermeiden können.

Abbildung 1A: Übersicht über den CRISPR-Locus von Streptococcus thermophilus. Wiederholungssequenzen (Repeats, schwarze Rauten) und variable Sequenzen (Spacer, nummerierte graue Rechtecke). Die Buchstaben L (Leader) und T (Terminal) bezeichnen den Anfang bzw. das Ende der Repeat-und-Spacer-Region. Mit Änderungen aus dem Artikel von Barrangou et al. übernommen.

Das Vorhandensein von CRISPR-Sequenzen wurde erstmals 1993 von Francisco Mojica beobachtet [1]. Die biologische Funktion dieser besonderen Region des Genoms war damals jedoch noch unklar. Erst zwei Jahrzehnte später entdeckte ein Forschungsteam des Kopenhagener Molkereiunternehmens Danisco die Rolle von CRISPR bei der bakteriellen adaptiven Immunantwort gegen Phagen [3]. Die Milchindustrie ist sehr daran interessiert, die Mechanismen der Phagenresistenz besser zu verstehen, da die Bakterienkulturen, die für die Fermentierung von Milchprodukten entscheidend sind, oft anfällig für Phagenangriffe sind. Die Folge davon ist der Verderb der Milchprodukte. In einer bedeutenden Studie wiesen Rodolphe Barrangou und Philippe Horvath von Danisco erstmals experimentell nach, dass CRISPR-Sequenzen Bakterien gegen solche Phagen immunisieren, die übereinstimmende genomische Sequenzen tragen [3].

Als Modell zur Untersuchung der CRISPR-abhängigen Phagenresistenz wählten Barrangou und Horvath die Spezies Streptococcus thermophilus, ein Milchsäure produzierendes Bakterium, das in der Milchfermentation verwendet wird. Die Analyse der CRISPR-Sequenzen verschiedener phagenempfindlicher und phagenresistenter S. thermophilus-Stämme ergab, dass phagenresistente Stämme mehr Spacer-Sequenzen aufwiesen. Dies deutete darauf hin, dass die Spacer der Schlüssel zur Immunität sein könnten [3].

Wie werden die Spacer in das Genom von S. thermophilus eingebaut? Das Forschungsteam zeigte, dass CRISPR-Loci dynamisch sind und sich bei Kontakt mit Phagen schnell verändern [3]. Konkret setzte das Forschungsteam einen aus Joghurtproben isolierten virulenten Phagen, den Phagen 858, einem anfälligen S. thermophilus Stamm aus. Dadurch konnten sie Bakterienmutanten mit einer Immunität gegen den Phagen 858 erzeugen. Die Analyse des CRISPR-Locus der überlebenden Bakterien ergab durchweg, dass zusätzliche Spacer in die Bakteriengenome eingefügt worden waren. Dabei stellte das Forschungsteam fest, dass die neuen Spacer-Sequenzen genau den Sequenzen entsprachen, die in dem für die Infektion verwendeten Phagen enthalten waren. Außerdem waren Bakterien, deren Spacer-Sequenz nicht mit der Phagen-Sequenz übereinstimmte, anfälliger für eine Phageninfektion. Zusammengenommen deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die Sequenzähnlichkeit zwischen dem Phagen und dem Spacer für die antivirale Abwehr entscheidend ist.

Aufgrund dieser Ergebnisse stellte das Forschungsteam die Hypothese auf, dass die von den CRISPR-Spacern kodierte Information für die Phagenresistenz verantwortlich ist. Um dies zu testen, veränderten sie gezielt die CRISPR-Loci von S. thermophilus Stämmen und bestimmten anschließend die Auswirkungen auf die Phagenresistenz (Abbildung 1B) [3]. Zunächst konzentrierte sich das Forschungsteam auf zwei Spacer-Sequenzen, S1 und S2 genannt, die den Sequenzen des Phagen 858 entsprachen. Sie fügten S1 und S2 in den CRISPR-Locus eines für den Phagen 858 empfindlichen S. thermophilus Stammes ein und beobachteten, dass der Stamm resistent wurde (Abbildung 1B, I). Zusätzlich entfernten sie Spacer aus dem CRISPR-Locus eines S. thermophilus Stammes, der gegen den Phagen 858 immun ist. Infolgedessen konnten sie beobachten, dass dieser Stamm nun nicht mehr gegen den Phagen 858 resistent war, sondern mit diesem infiziert werden konnte (Abbildung 1B, II). Somit konnte das Forschungsteam zeigen, dass dass Vorhandensein der Spacer für eine hochspezifische Immunität sorgt [3].

Abbildung 1B: Die gezielte Veränderung des CRISPR-Locus von Streptococcus thermophilus durch Barrangou et al. zeigte, dass die Spacer S1 und S2 einen spezifischen Schutz gegen den Phagen 858 bieten. Abbildung mit Modifikation aus dem Artikel von Barrangou et al. übernommen.

Spacer sind nicht die einzigen Komponenten, die für die CRISPR-basierte Immunität erforderlich sind. Neben den CRISPR-Loci gibt es eine Reihe von Genen, die sogenannten Cas-Gene, die ebenfalls für die antivirale Abwehr erforderlich sind (Abbildung 1A und 1B) [1,3]. Seit den wegweisenden Erkenntnissen von Barrangou und Horvath haben bahnbrechende Studien die spezifische Rolle der Cas-Gene in der bakteriellen adaptiven Immunität entschlüsselt [1]. Dieses kollektive Verständnis der zugrundeliegenden Biologie von CRISPR ermöglicht es der Wissenschaft, die Kernkomponenten des CRISPR-Systems für die Entwicklung neuer Methoden im Bereich des Gene Editing zu verwenden. Dies eröffnet eine Vielzahl neuer biotechnologischer Anwendungsmöglichkeiten für die Behandlung menschlicher Erkrankungen.


Quellen:

  1. Lander, E.S.  (2016). The Heroes of CRISPR. Cell 164, 18-28. 
  2. Raposo, V.L. (2019). The First Chinese Edited Babies: A Leap of Faith in Science. JBRA Assist Reprod. 23, 197-199. 
  3. Barrangou, R., Fremaux, C., Deveau, H., Richards, M., Boyaval, P., Moineau, S., Romero, D.A., and Horvath, P. (2007). CRISPR provides acquired resistance against viruses in prokaryotes. Science 315, 1709–1712.

Titelbild: https://i1.wp.com/foodcrumbles.com/wp-content/uploads/2018/07/Home-made-yogurt-1-2.jpg?fit=750%2C500&ssl=1


Übersetzt von Mihaela Bozukova