
Mikrobologie in kleinen Häppchen
Ein Bakterium und ein Archaeon gehen Hand in Hand
Archaeen und Bakterien leben auf unserem Planeten, seit die allerersten Lebensformen in der Evolutionsgeschichte auftauchten. Sie haben jede Umgebung besiedelt, vom tiefsten Ozean bis zu den höchsten Bergen, von heißen Quellen bis zu kalten Gletschern, und sogar so unerwartete Orte wie Wolken!
Du hast wahrscheinlich schon eine Vorstellung davon, was ein Bakterium ist. Du weißt, dass einige von ihnen Krankheiten verursachen, und du hast vielleicht schon gehört, dass andere in unseren Eingeweiden leben. Aber von Archaeen hast du vielleicht noch nie gehört. Dabei sind sie nicht weniger interessant als ihre bakteriellen Cousins: Obwohl sie sich extrem ähnlich sehen (unter dem Mikroskop könnte man ein Bakterium nicht von einem Archaeon unterscheiden), verfügen sie über eine erstaunliche Vielfalt an Fähigkeiten. Sie können in sehr salzigen Tümpeln überleben oder atmen Methan statt Sauerstoff; daher werden sie oft als “extremophil” bezeichnet.
In diesen extremen Umgebungen, in denen Archaeen leben, finden wir auch einige Arten von extremophilen Bakterien. Sie können getrennt voneinander leben und jeweils eine bestimmte Ressource verbrauchen, oder sie können auch in Syntropie leben, d.h. sie kooperieren auf der Ebene der Ernährung, um sich gegenseitig zu unterstützen. Diese Syntropie kann viele Formen annehmen, aber die, die wir heute untersuchen, ist ziemlich überraschend.
In ihrer Studie untersuchten Takefumi Shimoyama und seine Kollegen die Syntropie zwischen einem Bakterium namens Pelotomaculum thermopropionicum (im Folgenden PT genannt und als “sie” bezeichnet) und einem Archaeon namens Methanothermobacter thermautotrophicus (im Folgenden MT genannt und als “er” bezeichnet).
Das Bakterium PT ist ein Fermenter: Wie die Hefen, die wir zur Herstellung von Bier oder Wein verwenden, erzeugt es in Abwesenheit von Sauerstoff seine Energie durch die Umwandlung von Zucker in Alkohol. Das Archaeon MT hingegen ist ein “Methanogen”: Es atmet Kohlendioxid ein (so wie wir Sauerstoff einatmen), um seine Energie zu gewinnen, und wandelt es in Methan um.
In diesem Fall führt die Gärung von PT zur Produktion von Kohlendioxid, das von MT direkt für seine Atmung verwendet wird. Dies ist für Wissenschaftler kein unbekanntes Phänomen: frühere Arbeiten zeigten bereits eine solche Syntrophie zwischen Bakterien und Archaeen in Umgebungen ohne Sauerstoff. Was ist dann das Besondere an diesem Phänomen?

Credits: Wikicommons
Nun, es sieht so aus, als ob PT sich mit MT verbindet…und zwar über ihre Geißel (auch Flagellum genannt)! Vielleicht hast du diesen Begriff schon einmal gehört: Ein gutes Beispiel ist die spaghettiähnliche Struktur, mit der die Spermien schwimmen, bis sie das Ei der Frau erreichen. Aber auch viele Bakterienarten verwenden Flagellen, um sich in ihrer Umgebung fortzubewegen (Abbildung).
Warum also verwendet PT ihr Flagellum für einen völlig anderen Zweck? Offenbar hat es zwei Aufgaben: erstens, um die Nähe zu ihrem Partner MT sicherzustellen, und zweitens, um ihren Stoffwechsel zu synchronisieren.
Diese Synchronisierung ist notwendig, denn wenn PT fermentiert, produziert sie Kohlendioxid, das MT in kurzer Zeit verbrauchen muss, da er sonst den Zugang dazu verlieren könnte. Aber woher wissen wir, dass diese Syntropie nicht nur ein Zufall ist?
Nun, genau das hat Shimoyamas Team untersucht. Die Wissenschaftlerinnen analysierten zunächst die Zusammensetzung der Filamente, die von PT und MT gebildet werden, wenn sie zusammen leben, und stellten fest, dass diese Filamente mehrheitlich aus Flagellin bestehen, dem wichtigsten Proteinbestandteil des bakteriellen Flagellums (siehe Abbildung).
Sie testeten auch die Affinität dieses Proteins und fanden heraus, dass es sich nur an MT und ein anderes Archaeon bindet, von dem ebenfalls bekannt ist, dass es eine Syntropie mit PT bildet. Das bedeutet, dass die Evolution das Flagellum von PT so “geformt” hat, dass es speziell an MT anhaftet und PT einen Vorteil verschafft. Aber es muss auch MT einen Vorteil verschaffen, sonst hätte die Evolution MT einen Abwehrmechanismus gegen dieses Flagellum gegeben. Bingo: Shimoyamas Team fand heraus, dass die Atmung von MT effizienter war, wenn PT durch ihr Flagellum angeheftet war. Nach der Anheftung werden einige Gene in MT stärker abgelesen und die Methanproduktion steigt an. Das deutet darauf hin, dass MT das Flagellin von PT wahrnimmt, um sich auf die Syntropie vorzubereiten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Situation zwischen unserem Bakterium und dem Archaeon ein gutes Beispiel für das ist, was Biologen als “Koevolution” bezeichnen: Auf der einen Seite hat die Evolution das Flagellin von PT so “geformt”, dass es sich speziell an MT anlagert; auf der anderen Seite hat die Evolution die Gene von MT so “geformt”, dass sie durch das Anhaften des Flagellins von PT ausgelöst werden. Um diese Beziehung zwischen PT und MT zu verdeutlichen, könnten wir sagen, dass sie “Hand in Hand” gehen.
Anmerkung von MicroBites:
In diesem Artikel haben wir über die enge Beziehung zwischen Bakterien und Archaeen gesprochen. Aber was sind Archaeen? Archaeen sind, wie Bakterien auch, einzellige Mikroorganismen ohne Zellkern und werden daher zu den Prokaryoten gezählt. Was also ist der Unterschied zwischen Archaeen und Bakterien?
Nun, Archaeen stellen das dritte Königreich des Lebens dar und werden, wie in der Abbildung zu sehen ist, zwischen Bakterien und Eukaryoten (Zellen mit einem Zellkern, wie Pflanzen oder Du) eingeordnet. Wie bereits erwähnt, gehören sie wie Bakterien zu den Prokaryoten, ihre Zellmembran unterscheidet sich jedoch sowohl von Bakterien als auch von Eukaryonten, während ihre DNA-Replikations- und Translationsmaschinerie eng mit der von Eukaryonten verwandt ist. In einigen Merkmalen ähneln sie den Bakterien, in anderen den Eukaryonten, weisen aber auch einzigartige Merkmale auf. Die meisten Archaeen sind in extremen Umgebungen zu finden (hohe Temperaturen oder hoher Salzgehalt), aber einige kommen auch in unserem Darm vor.

Link zum Originalbeitrag: Takefumi Shimoyama, Souichiro Kato, Shun’ichi Ishii, Kazuya Watanabe, Flagellum Mediates Symbiosis Science 20 Mar 2009
Titelbild: Alice van Helden (personal work, 15-04-2021)
Übersetzt von Florian Theßeling