
Mikrobologie in kleinen Häppchen
Pflanzliches oder mikrobielles Eiweiß, was ist besser?
Stell dir vor, du hättest einen Hektar Land (10.000 m2) und müsstest davon so viele Menschen wie möglich ernähren. Was würdest du mit der Landfläche tun? Wäre Rinderhaltung eine Option? Schließlich kann eine große Kuh viele Menschen ernähren. Allerdings benötigt Rinderhaltung viel Platz – sowohl Weidefläche, als auch Fläche für den Anbau des Futters. Somit ist die Anzahl der Kühe, die du auf dem Stück Land halten könntest, begrenzt. Darüber hinaus dauert es Jahre, bis die Kuh ausgewachsen ist.
Wie sieht es mit Sojabohnen aus? Sojabohnen haben den höchsten Eiweißgehalt aller Pflanzen und sind für den Großteil der Weltbevölkerung eine wichtige Eiweißquelle. Mit einem Hektar Land könnte man in einem Jahr 1,1 Tonnen Eiweiß produzieren – genug, um 40 Menschen zu ernähren! Das ist großartig, aber was es ein Verfahren zur Gewinnung von Eiweiß aus mikrobieller Biomasse gäbe, mit dem man zehn Mal so viele Menschen ernähren könnte? So ein Verfahren gibt es und es verwendet Photovoltaik. Das so gewonnene Protein nennt man Photovoltaik-Einzeller-Protein (engl. photovoltaic-driven single-celled protein, kurz PV-SCP).
Was genau ist Photovoltaik-Einzeller-Protein?
Eiweiß ist einer der Grundbausteine, die jeder Organismus zum Überleben braucht, auch Mikroben. Einzeller werden für neue Biotechnologien immer beliebter, denn sie wachsen schnell, brauchen nicht viel Platz, sind in der Regel kostengünstig und sind effizientere Chemiker als wir es je sein werden. Das macht sie zu fantastischen mikrobiellen Biofabriken. Wahrscheinlich wird mikrobielles Protein bereits in deinem Lebensmittelladen verkauft. Falls du es ausprobieren willst, halte Ausschau nach Quorn-Produkten, die meist in der Abteilung für pflanzliche Lebensmittel zu finden sind. Quorn wird durch die Nutzung von Proteinen aus einem Pilz namens Fusarium venenatum hergestellt, der auf Weizensaccharose als Nährstoffquelle wächst.
Der Unterschied zwischen Quorn und der in dieser Studie vorgestellten Technologie besteht in der Nährstoffquelle. Bei vielen aus Einzellern gewonnenen Proteinprodukten dienen Pflanzenzucker oder fossile Quellen als Hauptnährstoffe für die Mikroben. Bei der PV-SCP Technologie wird die Kraft der Sonne genutzt, um den Mirkoben Nährstoffe zuzuführen. Unter Photovoltaik versteht man die Umwandlung von Lichtenergie in Elektrizität mit Hilfe von Sonnenkollektoren oder anderen halbleitenden Materialien. Zusammengenommen ist photovoltaisch erzeugtes, mikrobielles Eiweiß also die Kombination aus Sonnenkollektoren und mikrobieller Biomasse zur Erzeugung von Eiweiß, das entweder als Tierfutter oder für den menschlichen Verzehr verwendet werden kann.
PV-SCP wird in einem einem vierstufigen Prozess hergestellt (siehe Abbildung unten). Im ersten Schritt fangen photovoltaische Solaranlagen die Sonnenenergie ein und wandeln sie in Strom um. Zweitens wird die elektrische Energie in chemische Energie umgewandelt und in Wasserstoff, Formiat oder Methanol gespeichert. Diese dienen als Nährstoffquellen für den dritten Schritt des Prozesses, das mikrobielle Wachstum. Nach der Umwandlung der Sonnenenergie in elektrische und anschließend in chemische und biologische Energie, wird die Biomasse zu einem Produkt verarbeitet. Der vierte und letzte Schritt ist die Filtration. Hier wird der gesamte Zellmüll, der nicht von Interesse ist, entfernt; dazu gehören Nukleotide, Fettsäuren und Kohlenhydrate. Die trockene Biomasse kann entweder als Viehfutter verwendet oder zu Trockenprotein für den menschlichen Verzehr verarbeitet werden.

Vergleich von PV-SCP mit aus der Landwirtschaft gewonnenem SCP und der Sojabohnenproduktion
Wie bereits erwähnt, gehören Sojabohnen zu den proteinreichsten Pflanzen überhaupt. Eine Tasse Sojabohnen enthält 29 g hochwertiges Protein! Mikrobielles Protein kann auf zwei verschiedene Arten gewonnen werden: Bei der einen Methode stammen die Nährstoffe für die Mikroben aus Pflanzenzucker, wie bei den Quorn-Produkten, und bei der anderen werden die Nährstoffe und die Energie für die Mikroben aus Sonnenenergie gewonnen . Worin unterscheiden sich diese drei Methoden?
Dorian Leger, Silvio Matassa, Elad Noor, Alon Shepon, Ron Milo und Arren Bar-Even verglichen in ihrer jüngsten Arbeit die Proteinmenge, die mit diesen drei Methoden auf nur einem Hektar Land (10.000 m2) erzeugt werden kann. Im Falle der Sojabohne werden 100 % des Feldes für den Anbau der Pflanze genutzt, die 1,1 Tonnen Eiweiß produziert. Dies reicht aus, um 40 Menschen ein Jahr lang mit Eiweiß zu versorgen. Im Falle des aus landwirtschaftlichem Zucker gewonnenen, mikrobiellen Proteins werden 94 % der Fläche für die Produktion verwendet, die übrigen 6 % dienen dem Anbau und der Ernährung der Mikroben. Mit dieser Methode können 2,7 Tonnen Protein produziert und somit doppelt so viele Menschen ernährt werden wie die Sojabohnenmethode. Bei der photovoltaisch betriebenen Methode werden 66 % der Fläche für das Solarfeld, 24 % für den Anbau des mikrobiellen Produkts und 10 % für die Aufnahme von Kohlendioxid zur Unterstützung der mikrobiellen Aufzucht verwendet. Die Autoren schätzen, dass mit dieser Methode 15 Tonnen Protein produziert und 520 Menschen ernährt werden könnten – das Zehnfache der Sojabohnenmethode!
Könnten die Proteine der Zukunft von Mikroben stammen?
PV-SCP ermöglicht eine effiziente Nutzung der Landfläche und liefert höhere Proteinerträge als herkömmliche Methoden. Außerdem ist es eine hervorragende Quelle für B-Vitamine, die in pflanzlicher Ernährung oft fehlen. Mikrobielle Proteinquellen haben ein hochwertiges Aminosäureprofil und können reich an Mikronährstoffen wie Eisen, Zink, Kalzium, Phosphor, Kalium, Natrium, Magnesium, Kupfer und Mangan sein. Ganz abgesehen davon ist die Mikrobentechnik weiter fortgeschritten als die Pflanzentechnik. Im Vergleich zu Pflanzen, wird es einfacher sein, Mikroben gentechnisch so zu verändern, dass sie effizienter in der Proteinproduktion sind.
Und bevor du jetzt sagst: Ich esse keine Mikroben, sie verursachen Krankheiten! Saccharomyces cerevisiae wird für Brot, Bier und Wein verwendet, Lactococcus-Stämme für Milchprodukte und Aspergillus oryzae für Sojasauce.
Was sind die größten Herausforderungen für die Einführung dieser Technologie? Der Preis und die Gesellschaft sind die größten Hindernisse. Das Forschungsteam schätzt, dass PV-SCP etwa 4-5 USD pro kg Eiweiß kostet. Vergleicht man dies mit den 2,5 USD bzw. 1 USD pro kg Eiweiß für Fischmehl bzw. Sojamehl, ist PV-SCP deutlich teurer. Erbsenprotein und Molkenprotein kosten jedoch 5 bzw. 7 USD, während Mykoprotein wie Quorn-Produkte sogar 13 USD pro kg Eiweiß kosten. Bei diesem Preisvergleich wird deutlich, dass PV-SCP durchaus als nachhaltige und kostengünstige Proteinalternative auf den Markt kommen könnte.
Titelbild: Entwurf des Verfassers
Übersetzt von Mihaela Bozukova