Bakterielle Abwehrsystem schließen sich gegen Phagen zusammen

                              

Mikrobologie in kleinen Häppchen

Bakterielle Abwehrsystem schließen sich gegen Phagen zusammen

In ihrer natürlichen Umgebung sind Bakterien ständig der Bedrohung durch ihre viralen Gegenspieler, den Bakteriophagen (kurz Phagen), ausgesetzt. Diese Viren infizieren gezielt Bakterien und nutzen deren zelluläre Maschinerie, um sich zu vermehren und neue Phagen zu produzieren. Sobald die Replikation abgeschlossen ist, brechen die Phagen die Bakterienzelle mit Hilfe spezifischer Proteine auf. Diese sogenannte Lyse setzt die neu gebildeten Phagen in die Umgebung frei und tötet den bakteriellen Wirt. Die Bakterien warten jedoch nicht passiv auf ihre Zerstörung. Ähnlich wie der Mensch über ein Immunsystem zur Bekämpfung verschiedener Krankheitserreger verfügt, haben auch Bakterien zahlreiche Strategien zur Abwehr von Phageninfektionen entwickelt.

Das bakterielle Immunsystem ist vielfältig und zielt auf verschiedene Stadien des Lebenszyklus einer Phage ab, von der DNA-Injektion bis zur Lyse. Zu den bekanntesten Verteidigungsstrategien gehören CRISPR-Cas und Restriktionsmodifikationssysteme, die die DNA, also das Erbgut der eindringenden Phage zerschneiden. Andere Abwehrsysteme hemmen die virale Transkription, also das Kopieren des Erbguts, stören den Zusammenbau der Phagen, oder entziehen dem Bakterium essenzielle Bestandteile und verhindern so die Vermehrung der Phagen. Bisher sind mehr als 150 Abwehrsysteme beschrieben worden, wobei einzelne Bakterien in der Regel etwa fünf verschiedene Mechanismen besitzen. Die meisten Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die Wirkweise einzelner Abwehrsysteme. In dieser wissenschaftlichen Publikation wurden jedoch die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Abwehrmechanismen untersucht. Dabei wurde die Hypothese aufgestellt, dass Systeme, die häufig gemeinsam in Bakterien vorkommen, synergistische Wirkungen erzielen. Nach dieser Hypothese wäre es also möglich, dass mehrere Systeme gezielt zusammen in Bakterien auftreten, weil sie gemeinsam einen größeren Schutz gegen Phagen bieten als die Summe ihrer einzelnen Effekte.

Zuerst konzentrierten sich die Forschenden auf die Spezies Escherichia coli und nutzten bioinformatische Werkzeuge, um bekannte Abwehrsysteme in über 20.000 bakteriellen Genomen vorherzusagen. Durch Korrelationsanalyse fanden sie heraus, dass einige der Abwehrsysteme häufiger im selben Genom zu finden waren, während andere seltener zusammen auftraten. Bakterielle Abwehrsysteme neigen dazu, sich an bestimmten Stellen im bakteriellen Genom, den so genannten “Abwehrinseln”, anzusiedeln. Dadurch wird der horizontale Gentransfer zwischen Bakterien vereinfacht. Überraschenderweise traten jedoch auch solche Abwehrsysteme gemeinsam auf, die im Genom weit voneinander entfernt lagen. Synergistische Effekte könnten also Gründe für das gemeinsame Vorkommen von Abwehrstrategien sein.

Die Forschenden testeten ihre Hypothese experimentell, indem sie verschiedene Verteidigungssysteme kombinierten, um dann die Effizienz der Phagenabwehr zu analysieren. E. coli Bakterien, die nur das Gabija- oder das tmn-Abwehrsystem besaßen, konnten sich beispielsweise nicht sehr erfolgreich gegen die Phagen T1, T3 und T4 wehren. Wenn jedoch beide Mechanismen kombiniert wurden, verbesserte sich die Abwehr gegen die Phagen deutlich. Bei einer Infektion mit dem Phagen T1 wurden beispielsweise bis zu 1000-mal weniger Phagen freigesetzt. Insgesamt testeten die Forschenden drei verschiedene Kombinationspaare gegen insgesamt 29 Phagen und stellten fest, dass die Abwehrsysteme zusammen besser funktionierten als allein. Bakterien mit einer Kombination an Abwehrsystemen besaßen einen beträchtlichen Vorteil gegenüber solchen mit nur einem einzigen Mechanismus. In Gegenwart von Phagen überlebten die Bakterien besser und konnten sich effizienter vermehren. 

Die Forschenden untersuchten auch die Kombination der beiden Abwehrsystem Zorya II und ietAS, die normalerweise nicht zusammen in E. coli gefunden werden. Überraschenderweise war dieses Paar sehr effizient gegen den Phagen T3. Die Forschenden fanden dann heraus, dass sich die Kombinationen der Abwehrsysteme zwischen verschiedenen, bakteriellen Ordnungen unterschieden, beispielsweise in Bacillales und Pseudomonales. Abwehrsysteme, die in E. coli häufig gemeinsam auftraten, schlossen sich in anderen Bakterien gegenseitig aus. Der Grund, warum einige bakterielle Abwehrsystem nicht gemeinsam auftreten, ist also nicht unbedingt eine fehlende synergistische Funktionsweise. 

A diagram of different types of defense systems

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Einzelne Abwehrsysteme gegenüber kombinierter Abwehr. Einzelne Verteidigungsmechanismen bieten nur einen schwachen Schutz gegen E. coli-infizierende Phagen. Der Schutz wird jedoch verbessert, wenn die einzelnen Abwehrsysteme miteinander kombiniert werden. Bildnachweis: Wu et al. Cell Host Microbe 2024

Zusammenfassend führt also eine Kombination bakterieller Abwehrsysteme häufig zu einem verbesserten Schutz gegen eine Phageninfektion. Bakterien verfügen über mehrere Strategien gleichzeitig, mit denen sie sich gegen verschiedenste Phagen mit unterschiedlicher Effizienz schützen können. Das Verteidigungsarsenal eines Bakteriums wird außerdem stark von seiner Umgebung und den Arten der Phagen beeinflusst, mit denen es in Kontakt kommt.


Link to the original post: Bacterial defense systems exhibit synergistic antiphage activity. Yi Wu, Sofya K. Garushyants, Anne van den Hurk, Cristian Aparicio-Maldonado, Simran Krishnakant Kushwaha, Claire M. King, Yaqing Ou, Thomas C. Todeschini, Martha R.J. Clokie, Andrew D. Millard, Yilmaz Emre Gençay, Eugene V. Koonin, and Franklin L. Nobrega. Cell Host and Microbes, April 10 2024

Additional references:

Tesson, F., Hervé, A., Mordret, E., Touchon, M., D’humières, C., Cury, J., & Bernheim, A. (2022). Systematic and quantitative view of the antiviral arsenal of prokaryotes. Nature communications13(1), 2561.

Mayo-Muñoz, D., Pinilla-Redondo, R., Birkholz, N., & Fineran, P. C. (2023). A host of armor: prokaryotic immune strategies against mobile genetic elements. Cell Reports42(7).

Featured image: From https://www.gutmicrobiotaforhealth.com/the-crosstalk-between-bacteriophages-and-commensal-bacteria-contributes-to-the-gut-ecosystems-stability/


Übersetzt von: Ann-Kathrin Mehnert